Biken hoch im Norden: © 2024 Tofisch & Partner

Wetter, Whisky und wilde Trails

Schottland: TransHighlands - Quer durch das Reich der rebellischen Clans im schottischen Hochland

Fliegen ist heute wirklich wie Autofahren war der erste Gedanke, als sich in Edinburgh die Glastür des Flughafens vor mir öffnete. Dicke Regentropfen platschten auf mein Gesicht und eine starke Windböe brachten meine Bikeregenjacke zum flattern. Schottland.

Mark, derjenige der mich gegen meine Überzeugung zum Biken nach Schottland holte, kam mir im T-Shirt entgegen, nahm mir mein Bike aus der Hand und meinte: "Ist gleich vorbei, so wechselhaft ist das Wetter immer hier bei uns!". Er behielt in den nächsten zehn Minuten und die restliche Woche unserer TransHighland Tour von Laggan bis Loch Torridon recht.

© 2024 Tofisch & Partner Welche Geschichten habe ich mir auf dem Europäischen Festland anhören müssen, als ich so beiläufig erwähnte, dass ich vorhabe die schottischen Highlands zu durchqueren. Von wegen toll Biken in Schottland. Die meisten waren schon da, aber nur zum wandern und chillen. Alle für Schottland landestypischen Vorurteile waren dabei: da wachsen dir vor lauter Regen Schwimmhäute zwischen den Cleeds; oder: der kalte Wind friert dir die Finger an den Lenker; und sogar: Mücken sind so groß wie Piranhas und stechen dir einmal quer durch den Oberschenkel oder fressen dich bis auf die Knochen direkt vom Rad!

Alles konnten mir Mark, Tim und Tom die local Heros der schottischen Bikeszene gleich die ersten zwei Tage widerlegen. Nur an einem Tag haben ich erleben dürfen, dass es auch wirklich Schottische Mücken gibt: Mit einem festländisch stählernen „No, I'm fine!" habe ich Tims Angebot abgelehnt vor der Durchfahrt eines sumpfigen Gebietes am Loch Beinn a'Mehadhoin meine Beine mit Babylotion einzureiben. Die Mücken, auf schottisch: midges, waren zwar winzig, das Angebot von Tim abzulehnen, war an diesem Tag ein beißender Fehler.

Do as the locals do! Habe ich mir ab da gedacht und mich eisern daran gehalten. Auch beim obligatorischen Besuch im Pub. Wo in Schottland jede Mountainbike Tour beginnt und endet.

Bereits am ersten Abend sitze ich im Loch Ericht Inn am Rande der Cairngroms gelegen und unterhalte mich mit Tim Francis, dem „Alleswisser" der Szene. Kaum einer kennt die Schottischen Highlands so wie er. Trails, Tiere, Pflanzen Landschaften und kuriose Geschichten, kaum zu glauben, dass er sich als „zugezogener" einen derartigen Wissenstand erarbeiten konnte. Tausende Kilometer auf dem Sattel in alle Himmelsrichtungen, unzählige Flussdurchquerungen und Tragepassagen durch knietiefen Schlamm in den schottischen Highlands machen es aber möglich. Ohne die Erfahrung des Insiders, sprich: wenn man nicht weis wo man fahren kann, ist man in den schottischen Highlands verloren. Das mussten auch die regierungstreuen Red Coats bei mehreren Aufständen der Highlanders schon ohne Bike feststellen.

© 2024 Tofisch & Partner Mit dieser Wucht an lokalem Background erwartete mich ein Highlight nach dem anderen. Schottland ist ein Mekka für Trailfetischisten auf breiten Sohlen. Kilometerlang schlängelt sich ein fußbreiter Wege schon am ersten Tag bei der Überquerung der Monadhliath Mountains den Berg hoch. Durch den dichten Bewuchs links und rechts durch Heidekraut bohren sich die großen Stollen tief in den weichen moosigen Boden und geben perfekten Vortrieb Richtung Corrieyairackpass. Nur einzelne große Steine und Stufen machen manchen Abschnitt zur technisch diffizilen Angelegenheit für den fortgeschrittenen Mountainbiker.

An Abwechslung fehlte es keinen Tag. Fast schon kitschige Landstriche gesäumt von uralten schottischen Pinien, umrahmt von großen Wasserflächen zeichneten das Bild des zweiten Tages Richtung Tomich. Nur eine unscheinbare Landrover Road durchsticht die urige Landschaft bis an den Horizont, wo das südliche Ende von Loch Ness schon sichtbar wird. Überrascht hat uns dort kein Monster, sondern ein richtig schottischer Regenguss, den es galt bis Tomich auszuhalten. Dort quartierten wir uns in einem der zahllosen Bad & Breakfest, die es in jedem Ort in Schottland gibt ein. Mr. Muir, der Hausherr, schlug zwar die Hände über dem Kopf zusammen, als er unsere durchnässten Gestallten zu sehen bekam, machte aber ein wohlig warmes Feuer im offenen Kamin. Gleichzeitig sagte er uns, dass es heute im Pub nebenan schottische Lamm Steaks gibt. Mr. Muir meinte, dass wir uns darauf sicher gleich freuen würden wie er. Er wusste gar nicht wie recht er hatte.

© 2024 Tofisch & Partner Nach einer kurzen Nacht kam mir ein Schottisches Mountainbiker Frühstück gelegen: Blutwurst, Rührei, gegrillte Tomate und Champions, dazu Toast, viel Brown Sauce und Kaffe. Genau das richtige, um mit kraftvollen Oberschenkeln die letzten Etappen der Highland Durchquerung anzugehen: Die in den prächtigen National Natur Reserves gelegenen Gebirgsketten des Glen Affric, Strath Glass und die Carn Eige Mountain Range türmten sich vor unseren Lenkern auf. Fast unüberwindbar erscheint uns die urig wilde Landschaftsform vor uns. Doch Tim kennt den Weg. Mehrere knietiefe Bachdurchquerungen später können auch wir, Mark, Tom und ich, den Weg erahnen.

 

© 2024 Tofisch & Partner Die Strecke verläuft unglaublich abwechslungsreich durch Pinienwälder meist auf schmalen Single Trails, vorbei an den Wasserfällen von Glomach, verweißten träumerisch gelegene Cottages in den Wäldern von Pait und Attadale. Zu meinem erstaunen technisch sehr anspruchsvolle Teilstücke. Sie machen richtig Spaß, wenn man sie ohne den Fuß abzusetzen hinter sich gebracht hat und sie machen Lust auf einen zweiten Versuch, wenn man bei nicht Gelingen in den weichen Büschen nebenan am Rücken liegt, während man mit den Gedanken noch auf der Strecke ist.

Wie die Soldaten von William Wallace, Braveheart, oder Bonnie Prince Charlie müssen wir den wenigen Einwohnern, die wir unterwegs getroffen haben erschienen sein. Urplötzlich sind wir aus einem dichten Waldstück, oder von einer versteckten Schlucht in den einsam gelegenen Siedlungen mit unsern stählernen Rössern aufgetaucht. Die Siedlungen wurden an wichtigen Kreuzungen, Brücken oder Fährübergängen erbaut, die auch wir benützen mussten. Erstaunlich weitläufig ist aber das nicht besiedelte Gebiet. Es wird vor allem für die Zucht sehr unfrisiert erschienender Schottischer Schafe oder Hochlandrinder beansprucht. Für die schottische Speisekarte und uns Mountainbiker kein Nachteil. Wir teilten im Tausch gegen ein saftiges „Highland Steak" gerne die Singletrails und Strassen. Einer Begegnung mit der „anderen Art" und den vielen Zäune traten wir dafür mit Fassung entgegen.

© 2024 Tofisch & Partner Nur ungern streifte ich mir meine kurze Regenhose über, der letzte Tag. Kühl, und feucht fühlten sich die Luftströme an, die uns wie Wellen immer wieder entgegenschlugen. Sie kamen über das wild zerklüftete Bergland der Westküste Schottlands, von der Little Minch See, dem Antlantischen Ozean. Unser Ziel Loch Torridon war also nicht mehr weit und mit etwas Wehmut genoss ich die letzten Kilometer „scottisch trail riding" vom feinsten und im Ben Damph Inn dann einen „Single Malt Whisky" der gleich moosig roch wie die Luft und mittlerweile auch meine ganze Bike Ausrüstung: Nach Schottland.